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Einblicke von außen

Ein Gespräch mit Matthias Seyfert über die österreichische
Architektur aus Sicht eines Deutschen

Seit 2003 lebt und arbeitet Matthias Seyfert als deutscher Architekt in Österreich. Zusammen mit seiner Frau und Kollegen hat er das Linzer Architekturbüro 1 als Zusammenschluss gleichberechtigter Partner gegründet. Das besondere: Jeder bearbeitet seine Projekte in Eigenregie, kann aber auf die Kompetenz der Partner zurückgreifen. Blick.Beziehung.Architektur sprach mit ihm über seine Innen- und Außensicht auf die Österreichische Architektur.

 

Blick.Beziehung.Architektur: Sind Sie aus beruflichen Gründen nach Österreich gegangen? Wenn ja, welche Gründe waren das?

Matthias Seyfert: Ursprünglich habe ich in Dresden studiert und während des Studiums ein Praktikum in Zürich absolviert. Nachdem meine erste Anstellung in Hannover nach einem Jahr endete, musste ich mich neu orientieren. Dabei habe ich mich an meine Erfahrungen aus dem Praktikum erinnert. Ich habe damals die Architektur im süd-deutschsprachigen Raum als spannend empfunden. Österreich bzw. Linz war dann ein Zufall, denn ich konnte bei dem Büro Riepl Riepl Architekten eine Stelle antreten. Die gute, anspruchsvolle Architektur des Büros war das, was ich gesucht hatte.

BBA: Kann man einen deutschen Entwurf von einem österreichischen unterscheiden?

M. S.: So einfach geht das sicherlich nicht. Ich sehe in Deutschland jedoch den Trend zu einer sehr klassischen, massiven und etwas braven Architektur, beispielsweise das steinerne Berlin. Das ist schon recht deutsch. In Österreich gibt es hingegen viele Vertreter, die weniger klassische Architektur machen – angefangen bei Coop Himmelb(l)au, Delugan Meissl etc. Natürlich gibt es auch in Österreich sehr viel rationale Architektur, die einfach funktionieren, sich einfügen muss. Ich habe aber den Eindruck, dass in Deutschland weniger und in Österreich mehr nach der richtigen Form gesucht wird.

BBA: Dabei ist doch Österreich bzw. der süd-deutschsprachige Raum auch von einer starken traditionellen Baukultur geprägt. Worauf führen Sie die Modernität und Innovation zurück?

M. S: Begonnen hat es meines Erachtens mit den Vorarlbergern. Die Kombination von guten Handwerkern und Architekten, die aus dem Studium in Wien oder Innsbruck frische Ideen mitgebracht haben, hat zu der einzigartigen Vorarlberger Schule geführt. Weiterhin gibt es die schon genannten Coop Himmelb(l)au oder Delugan Meissl, die einen etwas künstlerischen Ansatz haben. Grundsätzlich habe ich in Österreich festgestellt, dass man hier durchaus mit einem poetischeren Entwurf punkten kann.  Dies findet sich auch in vielen Entwürfen wieder, die ich mit meinen Kollegen aus dem Architekturbüro 1 gestalte und realisiere. 

BBA: Was meinen Sie mit poetisch? Wie genau gehen Sie vor? 

M. S.: Es muss einfach nicht jedes Gebäude immer rechteckig sein, mit Flachdach oder Satteldach. Wir stellen uns am Anfang immer die Frage: Was sind die Mitteln und welche Form darf es haben? Und warum muss es der rechte Winkel sein – muss er es wirklich sein? Ein gutes Beispiel ist das Urfahr City Center in Linz. Die äußere Form ist zu 100% vom Bebauungsplan geprägt. Die Satteldachform war zwar nicht vorgeschrieben aber doch sehr nahe gelegt. Und es war festgelegt, dass 50% der Straßenfront Gauben sein dürfen. Das haben wir zum Ausgangspunkt genommen und als Herausforderung verstanden, räumlich und architektonisch das Maximum herauszuholen.

BBA: Wenn es um die Umsetzung geht, hat in Österreich auch der sogenannte Gestaltungsbeirat Mitspracherecht. Was hat es damit auf sich?

M. S.: Der Gestaltungsbeirat ist eine sehr interessante Institution. Es gibt ihn nicht generell in Österreich, sondern in vielen größeren Städten. Dieses kommunale Gremium setzt sich zum Großteil zusammen aus Architekten, die aus Gründen der Neutralität nicht in der Gemeinde wohnen bzw. tätig sind. So können sie frei und objektiv urteilen. Ihre Aufgabe ist es, einerseits die Stadt fachlich unabhängig zu beraten und andererseits eine architektonische Qualität einzufordern. Der Architekt bewirbt sich also quasi mit seinem Entwurf für die Umsetzung. Prinzipiell ein toller Ansatz. Schwierigkeiten kann es allerdings geben, wenn ein Investor billigstes Wohnen realisieren möchte, die Stadt aber ein hochqualitatives Gebäude fordert. Dann ist oft der Architekt der Gelackmeierte, auch wenn es im Grunde richtig ist, dass das Projekt nicht realisiert wird.